7. Januar 2021

Die Budgetdebatte 2020

Schattenboxen

Traditionsgemäss ist die Budgetdebatte des Zürcher Kantonsrats die längste in der Schweiz. So auch dieses Jahr. 2020 war sie allerdings eher noch langweiliger als üblich. Selbst der durchwegs sachlich-höfliche Finanzdirektor konnte sich am Ende des Budgetmarathons eine diesbezügliche Bemerkung nicht verkneifen. Humor und Esprit waren wie diverse Kantonsrätinnen und -räte unüberhörbar in der Corona-Quarantäne. Gelegentliche, ideologiebedingte Ansätze zur Polemik vermochten dies nicht zu kompensieren.

Dass das Budgetritual dieses Jahr noch ritualisierter wirkte als sonst, hatte solide, sachliche Gründe: die Coronapandemie bzw. deren noch völlig offenen Kosten für den Kanton Zürich. So war viel vom Nebel die Rede, der die Zukunft der Zürcher Finanzen umgebe, obwohl niemand ernsthaft bezweifelt, dass die Kantonsfinanzen massiv aus dem Gleichgewicht sind. Die zentrale, finanzpolitische Frage, wer letztlich für die Kosten dieser Krise aufkommen muss, steht längst im Raum und war auch während der Budgetdebatte stets präsent. Nur konnte mitten in der Krise darüber nicht offen diskutiert werden. Der politische Anstand liess das nicht zu.

So übten sich Kantonsrätinnen und Kantonsräte während vier Tagen eben im politischen Schattenboxen. Der unvermeidliche, finanzpolitische Schlagabtausch wurde im parteiübergreifenden Konsens vorerst einmal auf nächstes Jahr verschoben. Die profilierte freisinnige Finanzpolitikerin und Fraktionspräsidentin Frey-Eigenmann garantierte deshalb für 2021 den „puren Nervenkitzel“.

So stand eigentlich von Beginn weg fest, dass der Kantonsrat dem Budgetentwurf des Regierungsrates mit minimalen Korrekturen und grosser Mehrheit zustimmen würde.

Lohnperspektiven

Der Regierungsrat wird so bei der Lohnrunde 20/21 wie geplant am Normalmodus festhalten können. Das bedeutet 0.6% der Lohnsumme für individuelle Lohnerhöhungen. Ein Grossteil der Lehrpersonen wird so 2021 in eine höhere Lohnstufe befördert werden können. Für einen allgemeinen Stufenanstieg reichen 0.6 % der Lohnsumme natürlich nicht. Das Erreichen des ersten Maximums nach rund 30 Dienstjahren wird damit für viele noch eine Spur unwahrscheinlicher.

Ein Teuerungsausgleich ist nicht vorgesehen. Dennoch ist die Kaufkraft kurzfristig nicht gefährdet, weil die Teuerung zur Zeit negativ ist. Selbst wer nicht mit einer individuellen Lohnerhöhung rechnen kann, wird also von einer bescheidenen Reallohnerhöhung profitieren können.

Einmalzulagen wird es ebenfalls keine geben. Diese haben bekanntlich keinerlei Auswirkung auf die Lohnentwicklung und fallen somit finanziell kaum ins Gewicht. Als Ausdruck der Anerkennung und Wertschätzung wären sie gerade in Coronazeiten, in denen auch von Lehrpersonen überdurchschnittlich viel geleistet werden musste, natürlich ausgesprochen wertvoll.

Fürs Personal hätte es schlimmer kommen können, hielten die Vereinigten Personalverbände (VPV) bereits im August in einer Medienmitteilung nüchtern fest. Diese Einschätzung hat auch nach der Budgetdebatte noch Bestand.

Die Lohnperspektiven für die nächsten Jahre sehen zumindest auf den ersten Blick nicht allzu schlecht aus. Grundsätzlich will der Regierungsrat am Normalmodus festhalten. So wurden im Konsolidierten Entwicklungs- und Finanzplan 2021 – 2024 (KEF) jeweils 0.6 % der Lohnsumme für die individuelle Lohnentwicklung eingestellt. Allerdings wird der KEF jährlich überarbeitet. So könnte die geplante Lohnentwicklung bereits im nächsten Jahr der verschlechterten Finanzlage des Kantons angepasst werden, obwohl die Lohnentwicklung vollständig über Rotationsgewinne finanziert wird.

Diskussion um Löhne von Lehrpersonen

Wie unsicher die künftige Lohnentwicklung ist, zeigten die Diskussionen in der Finanzkommission, über die der Tagesanzeiger am 5. 12. 2020 ausführlich berichtete. Vordergründig ging es um die Streichung des automatischen Stufenanstiegs für Lehrpersonen in einem Teil der unteren Lohnstufen. Der Vorstoss fand schliesslich keine Mehrheit, weil die GLP ihre Unterstützung an die Bedingung knüpfte, dass nicht nur bei den Lehrpersonen, sondern beim ganzen Personal die individuelle Lohnentwicklung ausgesetzt werde.

Das ist kein Grund zur Entwarnung. Die Diskussionen lassen nämlich erkennen, dass die Löhne für Lehrpersonen wie deren teilweise spezifisches Lohnsystem erneut ganz grundsätzlich in Frage gestellt werden.

„Die automatischen Stufenaufstiege sind ein wichtiger Bestandteil des Lohnsystems für Lehrpersonen. Aufgrund der Eigenheiten des Bildungssystems sind klassische Karrieremöglichkeiten wie in anderen Branchen im Lehrberuf weder möglich und noch vorgesehen“ (Medienmitteilung von ZLV und SekZH vom 8.12.2020).

Wie grundsätzlich die Infragestellung gemeint ist, zeigt die Argumentation von Marc Bourgeois (FDP): „Die Zürcher Lehrerlöhne liegen 25 Prozent über dem Deutschschweizer Durchschnitt“ (TA vom 5. 12. 2020). Entsprechend hat der Tagesanzeiger dieses Zitat fett gedruckt ins Zentrum gestellt. In Coronazeiten darf der Verweis auf die Beschäftigungssicherheit von Staatsangestellten natürlich nicht fehlen. Von ihnen ein entsprechendes Lohnopfer zu erwarten sei also völlig legitim.

Noch grundsätzlicher ist die Infragestellung des regierungsrätlichen Normalmodus bei der individuellen Lohnentwicklung, der die unbestrittene Finanzkompetenz des Kantonsrats faktisch stark einschränkt. Die Lohnentwicklung liegt nämlich klar in der Kompetenz des Regierungsrates, solange er diese auch finanzieren kann. Das kann er, solange die Lohnentwicklung budgetneutral über die Rotationsgewinne finanziert werden kann. So wird denn auch die Verwendung der Rotationsgewinne zur Finanzierung der Lohnentwicklung wieder einmal grundsätzlich hinterfragt werden: „Rotationsgewinne sparen statt ausschütten“ lautet die Formel (TA vom 5. 12. 2020).

Purer Nervenkitzel

„Finanzdirektor Stocker weiss: Eigentlich müsste er auch auf der Einnahmenseite aktiv werden“, bilanziert D. Schneebeli im TA vom 15. 12. 2020. Das weiss nicht nur der Finanzdirektor, das wissen letztlich alle. Das ist das simple Einmaleins der Finanzpolitik, auch wenn Erhöhungen einzelner Steuern bzw. des Steuerfusses der bröckelnden Sparallianz gar nicht ins Konzept passt.

So ist der für nächstes Jahr angesagte „pure Nervenkitzel“ keine allzu gewagte Prognose. Dies umso weniger, als auch die Mehrheitsverhältnisse ausgesprochen instabil geworden sind. Schliesslich werfen die nächsten Wahlen, namentlich die Regierungsratswahlen bereits ihre Schatten voraus. Insbesondere die GLP macht aus ihren Ambitionen kein Geheimnis. Michael Zeugin machte der SVP zum Abschluss der Debatte ein verlockendes Angebot: „Wir stehen in den Startlöchern, um Sie künftig von Ihrer Regierungsverantwortung zu erlösen“.

Weitere Steuersenkungen, auch die versprochene zweite Senkung der Unternehmenssteuern sind selbst für die SVP zur Zeit kein Thema mehr. Einnahmenerhöhungen, in welcher Form auch immer, noch viel weniger. In diesem Punkt ist sich die informelle Sparallianz noch immer einig. Ausgabenerhöhungen hingegen kann sich zumindest die GLP als Mitglied der ebenso informellen Klimaallianz sehr wohl vorstellen.

Bleibt die Zürcher Schulden- bzw. Ausgabenbremse, die gesetzliche Verpflichtung zum mittelfristigen Ausgleich der Erfolgsrechnung, der in den nächsten Jahren nach menschlichem Ermessen nicht zu realisieren sein wird. Am Horizont zeichnet sich deshalb erneut eine Leistungsüberprüfung à la Lü 16 ab. Allerdings haben diese wiederholten Spar- bzw. Abbauübungen mit der Sparfarce Lü 16 jegliche Glaubwürdigkeit eingebüsst. Die Ratlosigkeit der Politik ist mit Händen zu greifen. Das könnte ein starker Anreiz sein, die Schuldenbremse zumindest vorübergehend auszusetzen, indem die Coronaausgaben ganz einfach nicht in die Berechnung des mittelfristigen Ausgleichs der Erfolgsrechnung einbezogen werden. Das ist kein technisches Problem, sondern eine Frage des politischen Willens.

Rolf Bosshard, Mitglied Vorstand VStA